Schweden

Schweden hat ein universelles Krankenversicherungssystem, das föderalistisch aufgebaut ist. Auf nationaler Ebene bestimmt das Ministerium für Gesundheit und Soziale Angelegenheiten die Gesundheitspolitik; auf regionaler Ebene sind 21 Provinzräte für die Finanzierung und Bereitstellung von Gesundheitsleistungen in ihrer jeweiligen Region zuständig. Auf lokaler Ebene liegt schließlich die Alten- und Behindertenfürsorge in der Hand der 289 Kommunen. Der Nationalrat für Gesundheit und Wohlfahrt ist eine staatliche Behörde, die Standards entwickelt, Informationen erfasst und verbreitet sowie Register und offizielle Statistiken zu Gesundheitsdaten führt (Commonwealth Fund 2020h).

Alle Einwohner sind automatisch Mitglieder der öffentlichen Krankenversicherung. Private Zusatzversicherungen kommen für weniger als ein Prozent der Gesundheitsausgaben auf (a.a.O.). Aktuell hat Schweden etwa 70 öffentliche Krankenhäuser, die von den Provinzräten finanziert werden, sechs Privatkrankenhäuser und sieben Universitätskliniken. Im Jahr 2018 hatte das Land 21,4 Krankenhausbetten pro 10.000 Einwohner; das entspricht einem Rückgang von 40 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 (WHO 2020).

Umsetzung von PROMs

Schweden hat keine spezifische nationale Strategie für PROMs, dafür aber ein landesweites Rahmenprogramm für die Überwachung und Verbesserung der Versorgungsqualität. Diese basieren auf den sechs Prinzipien der „guten Versorgung“ des Nationalrats für Gesundheit und Wohlfahrt von 2006, zu denen unter anderem Patientenzentrierung gehört (ACSQHC 2018; Kandelaki et al. 2016). Das Prinzip der Patientenzentrierung wurde mit dem Patientengesetz von 2014 noch fester im schwedischen Gesundheitssystem verankert. Ziel war eine Stärkung der Position von Patienten im Gesundheitswesen (Socialstyrelsen 2020). Das Land hat außerdem eine lange Tradition nationaler Register, die von günstigen Bestimmungen zu Patientendaten und erheblicher staatlicher Förderung profitieren (Mattsson 2016).

Hervorzuheben ist, dass sich der Begriff „national“ in Schweden aufgrund des föderalistischen Systems entweder auf eine nationale staatliche Initiative oder auf eine Initiative der Schwedischen Gesellschaft lokaler Behörden und Regionen (Swedish Association of Local Authorities and Regions, SALAR) beziehen kann, eine Arbeitgeberorganisation, die zugleich alle Regionen und Kommunen des Landes vertritt. So gibt es beispielsweise zwei Arten nationaler Register in Schweden. Die obligatorischen, staatlich verwalteten nationalen Register des Nationalrats für Gesundheit und Wohlfahrt (National Board of Health and Welfare; z.B. das Nationale Patientenregister und das Medizinische Geburtenregister) dürfen PROMs durch die schwedische Gesetzgebung nicht aufnehmen. Im Gegensatz dazu werden in den krankheitsspezifischen, zumeist von Ärzten initiierten Nationalen Qualitätsregistern (National Quality Registries, NQRs) der SALAR durchaus PRO-Daten erhoben. Infolgedessen gibt es keine landesweiten staatlichen Initiativen zur Erfassung von PROMs, wohl aber zwei SALAR-Initiativen zur Umsetzung von PROMs im nationalen Maßstab: die NQRs und eine regelmäßig durchgeführte Nationale Patientenbefragung. Der Nationalrat für Gesundheit und Wohlbefinden veröffentlicht aber regelmäßig einen Zustandsbericht über die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems, der landesweite Vergleiche enthält. Des Weiteren gibt die Organisation verschiedene Themenberichte zu speziellen Fragen oder Indikationsgebieten heraus (Hanning und Schmidt 2014). Beide Publikationen enthalten PRO-Daten aus den NQRs, sofern diese vorliegen und belastbar sind.

Zurzeit gibt es 103 NQRs in Schweden. Sie werden von SALAR koordiniert und von der Nationalregierung und SALAR gemeinsam finanziert (Nationella Kvalitetsregister 2019). Der schwedische Staat fördert die Entwicklung und großangelegte Umsetzung von Qualitätsregistern mit wirtschaftlichen Anreizen. Alle NQRs erhalten eine von vier Zertifizierungsstufen, die den jeweiligen Fortschritt bei der Einbeziehung relevanter Indikatoren, Datenanalysen, Datenberichterstattung, Deckungsrate usw. anzeigen. Die Zertifizierungsstufe ist ein wichtiger Faktor beim Bezug nationaler Fördermittel. Infolgedessen erfassen die meisten NQRs einen großen Prozentsatz aller betroffenen Patienten. Im Jahr 2014 deckten etwa 60 Prozent der NQRs über 80 Prozent ihrer Zielgruppe ab; einige erreichten eine nahezu vollständige Erfassung (Emilsson et al. 2015). Da die Teilnahme für Leistungserbringer und Patienten freiwillig ist, variieren die Raten bei einzelnen Registern jedoch stark. So liegt die Deckungsrate bei alteingeführten Registern wie den NQRs für Knie- und Hüftarthroplastik um rund 98 Prozent, während im NQR für Psychoseversorgung 2014 lediglich fünf Prozent der Zielgruppe erfasst wurden (a.a.O.). Gegenwärtig werden PROMs von über 80 Prozent der NQRs erhoben, wobei die Antwortraten und die Qualität der Daten bei den einzelnen Registern jedoch ebenfalls variieren (Nationella Kvalitetsregister 2019). Beispielsweise sammeln die NQRs für Knie- und Hüftarthroplastik bereits seit zwölf bzw. 18 Jahren PRO-Daten, mit postoperativen Antwortraten von 80 Prozent bzw. 90 Prozent. In anderen Registern werden PROMs wiederum fast gar nicht genutzt (Wilson et al. 2019). Neben den NQRs gibt es kleinere Register, die nicht von SALAR koordiniert werden.

Die zweite SALAR-Initiative, die Nationale Patientenbefragung, setzt sich aus mehreren einzelnen landesweiten Umfragen zur Qualität und Erfahrung mit primärer, stationärer und ambulanter Versorgung aus Patientensicht zusammen. Alle Provinzräte und Regionen nehmen seit 2009 an der Nationalen Patientenbefragung teil. Im Jahr 2018 starteten die Regionen eine gemeinsame koordinierte Aktion zur Erfassung von PRO-Daten für diese Patientenbefragungen. Im Zuge dessen wurde die Nationale Plattform für Strukturierte PROMs eingerichtet (patientenkat.se). Die Plattform liefert die technische Infrastruktur für die regions- und versorgerübergreifende Präsentation von PRO-Daten.

Schließlich werden PROMs landesweit auch in regionalen Pilotprojekten zur nutzenorientierten Versorgung sowie in klinischen Studien und Forschungsprojekten umgesetzt.

Krankheitsbilder und Therapiegebiete im Fokus

Da PROMs in den meisten Nationalen Qualitätsregistern und in mehreren Patientenbefragungen erhoben werden, sind verschiedene Indikationsgebiete abgedeckt. Dazu gehören Chirurgie/Orthopädie, Onkologie, chronische Krankheiten und psychische Gesundheit / Neurologie. Im Kontext der nutzenorientierten Versorgung werden PROMs in einzelnen regionalen Pilotprojekten für die Bereiche Hüft- und Kniegelenkersatz, Wirbelsäulenchirurgie, Geburtshilfe, bariatrische Chirurgie, Schlaganfall, Diabetes, Osteoporose und Brustkrebs eingesetzt. Die Initiativen im Indikationsgebiet Hüft- und Kniegelenkersatz gehören zu den frühesten. Zurückzuführen ist das auf die langen Wartezeiten bei Fachärzten und den dringenden Bedarf an Reformen.

Formen der PRO-Datennutzung

In Schweden gibt es verschiedene Nutzungsformen für PROMs, hauptsächlich geht es jedoch um Qualitätsverbesserung, Benchmarking und Forschung.

Die ursprünglichen Ziele der Nationalen Qualitätsregister variieren. Einige dienen zum Beispiel der Qualitätsüberwachung bei Versorgern, während andere für die Bewertung von Behandlungsoptionen und die klinische Praxis herangezogen werden. Gemeinsamer Zweck aller Register ist letztlich die Qualitätsverbesserung und Forschung. Die Nationalen Qualitätsregister ermöglichen außerdem das Benchmarking zwischen Regionen und (in einigen Fällen) zwischen Krankenhäusern. Das Public Reporting von Krankenhausergebnissen ist zurzeit nicht vorgeschrieben, wird aber von immer mehr Registern durchgeführt. Viele Registerberichte richten sich allerdings an Wissenschaftler und Ärzte und sind für Patienten nicht verständlich (Pross, Geissler und Busse 2017).

In der Nationalen Patientenbefragung werden PROMs vorwiegend für das Benchmarking zwischen Versorgern und Regionen sowie für das Public Reporting verwendet. Alle Patienten und Leistungserbringer können die Ergebnisse bezogen auf Regionen oder Versorger auf der Plattform einsehen. Die NQRs sollen in Zukunft ebenfalls die Daten der Nationalen Patientenbefragung für ihre Auswertungen verwenden und keine eigenen Patientendaten mehr erfassen.

PROMs werden außerdem in regionalen Projekten zu nutzenorientierten Vergütungsmodellen (Value-based Healthcare, VBHC) mit Bundled Payment (BP) eingesetzt. Im Jahr 2009 wurde in der Provinz Stockholms län OrthoChoice eingeführt, ein Pilotprojekt im Bereich Hüft- und Kniegelenkersatz. Vier Jahre später erweiterte die Provinz das Modell auf die Wirbelsäulenchirurgie. Im Rahmen des Projekts werden PROMs zur Ermittlung der Versorgungsqualität und (im Fall der Wirbelsäulenchirurgie) der Qualitätsprämie genutzt. So basieren zum Beispiel etwa zehn Prozent der Gesamtsumme im BP-Plan für Wirbelsäulenoperationen auf der von Patienten angegebenen Schmerzreduktion (IVBAR 2014). Weitere Initiativen entstanden später unter Anleitung der Schwedischen Nationalen Kooperation für Nutzenorientierte Erstattung und Überwachung der Gesundheitsversorgung (Nationell samverkan för värdebaserad ersättning och uppföljning i hälso-och sjukvården, SVEUS). Projektziele von SVEUS waren der überregionale Wissensaustausch und die Entwicklung nutzenorientierter Überwachungs- und Erstattungssysteme. In der Anfangsphase wurde das Projekt vom Ministerium für Gesundheit und Soziale Angelegenheiten finanziert. Teilnehmer waren sieben Provinzräte und SALAR sowie mehrere Ärzte- und Patientenverbände, NQRs und Universitäten. Das nationale SVEUS-Projekt wurde eingestellt, da es Bedenken über eine zu enge Anbindung an ein Privatunternehmen gab. Auf regionaler Ebene laufen jedoch einige Pilotprojekte und Initiativen weiter.

Herausforderungen

Die weitere Umsetzung von PROMs wird von bestimmten Herausforderungen erschwert. Dazu gehören rechtliche Hindernisse. Zum Beispiel dürfen staatliche Register derzeit keine PROMs einbeziehen, da alle erfassten Daten strengen gesetzlichen Regelungen unterliegen. Außerdem dürfen Daten, die für einen bestimmten Zweck erhoben wurden, nicht für andere Zwecke verwendet werden. Für die Forschung erfasste Daten können also nicht in der Routineversorgung genutzt werden.

Darüber hinaus wird die Verwendung von PRO-Daten im klinischen Umfeld durch technische Hürden behindert. Nicht alle Regionen und Krankenhäuser in Schweden haben die gleiche IT-Infrastruktur. Dieses Problem wird durch die Aufgabenteilung zwischen regionaler und nationaler Ebene verstärkt. PROMs wurden zum Beispiel als Element der Restrukturierung des Karolinska-Universitätskrankenhauses, Teil des zweitgrößten Krankenhaus-Netzwerkes in Schweden, in den Jahren 2016 und 2017 eingeführt. Der Restrukturierung wurde mit Resistenz aufseiten der Ärzte in Führungspositionen begegnet und die Transformation des Krankenhauses als prominentes Thema in den Medien diskutiert. Einige Bestandteile der VBHC-getriebenen Transformation wurden besonders negativ in den Medien dargestellt. Diese Gegenbewegung führte zu einer Verlangsamung weiterer VBHC-Initiativen. Seitdem wurde die PROMs-Implementierung von der Transformationsstrategie entkoppelt und stattdessen vornehmlich von Patientenorganisationen vorangebracht. Die Integration von PROMs in den klinischen Alltag, die zum Beispiel durch angepasste Behandlungspfade deutlich wird, konnte so einer mehr patientenzentrierten Versorgung in Schweden den Weg ebnen.

Erfolgsfaktoren

Schweden gehört zu den Ländern, in denen die Umsetzung von PROMs auf nationaler Ebene mit am weitesten fortgeschritten ist. Die gut eingeführten Qualitätsregister des Landes stellen eine einzigartige Möglichkeit dar, PRO-Daten für eine Reihe verschiedener Krankheiten und überregional zu erfassen. Außerdem stellt die Nationale Plattform für Strukturierte PROMs die technische Infrastruktur zur Erfassung und Verarbeitung großer Datenmengen bereit und bietet Patienten wie Medizinern volle Transparenz. Aufgrund des föderalistischen Aufbaus des schwedischen Gesundheitssystems hat sich der Bottom-up-Ansatz durchgesetzt. Die häufige Befürwortung durch Ärzte hat dazu beigetragen, andere Versorger vom Nutzen einer PROMs-Anwendung zu überzeugen. Zugleich hat die Förderung mit öffentlichen Mitteln die Umsetzung weiter beflügelt.

Das Schwedische Qualitätsregister für Rheumatologie (SRQ) ist ein Beispiel für die erfolgreiche Nutzung von PROMs zur Symptomüberwachung bei Patienten und Echtzeitübertragung der Informationen an Ärzte, um die Versorgungsqualität zu verbessern. Das Register wurde 1995 eingerichtet und erfasst aktuell etwa 90 Prozent aller Patienten mit rheumatoider Arthritis im Land. Krankheitsspezifische und allgemeine PROMs werden im Zeitverlauf erhoben und auf einem benutzerfreundlichen Dashboard angezeigt. Diese Informationen fließen in die klinische Versorgung, das Shared Decision Making und das Selbstmanagement von Patienten ein. Auf diese Weise werden Patienten stärker beteiligt und können selbstbewusster und selbstverantwortlicher mit ihrer Krankheit umgehen (Oliver, Nelson und Kerrigan 2019; Nelson et al. 2015). Zudem lassen die Erfahrungen darauf schließen, dass PROMs die klinischen Ergebnisse verbessern. So zeigte sich etwa in der Provinz Gävleborgs län, wo PROMs routinemäßig genutzt werden, eine signifikante Abnahme der Entzündungen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis verglichen mit Patienten in Regionen ohne Routineerfassung von PROMs. Auch auf nationaler Ebene zeigte sich ein drastischer Rückgang von Entzündungsschüben: von rund zwölf Prozent im Jahr 2009 auf rund vier Prozent im Jahr 2014 (Oliver, Nelson und Kerrigan 2019).

Ein weiteres schwedisches Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung ist OrthoChoice. Das Projekt wurde zwar nicht mit der Absicht der PROMs-Erfassung eingeführt, es ebnete dann aber den Weg für nutzenorientierte Erstattungspläne, die eine Qualitätsprämie auf Basis von PROMs beinhalten. Weitere benannte Erfolgsstrategien aus Schweden sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Herausforderungen der Umsetzung Erfolgsfaktoren
Umsetzung von PROMs im Versorgerumfeld: Akzeptanz seitens der Gesundheitsdienstleister » Anstoß einer öffentlichen Diskussion über die optimale Datennutzung auf allen Ebenen (in Kliniken, Regionen, landesweit)

» Aufstellung von Richtlinien zur Bewertung der Validität und Zuverlässigkeit von PROMs

» Nachweis des Nutzens für Patienten und Forschung

Plattform-Interoperabilität: Teilung zwischen nationalen und von Ärzten geführten Registern sowie fehlende gemeinsame Dateninfrastruktur für Forschung/Benchmarking » Ärztliche Befürwortung für ein gemeinsames Datengerüst und Gesetzesänderung, um Daten in Forschung zu verwenden/mit ePA kombinieren zu können.

» Weiterer Ausbau der Nationalen Plattform für Strukturierte PROMs, um mehr PRO-Daten einzubeziehen; Integration mit den Nationalen Qualitätsregistern

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